GIRL BOSS: ESCAPE FROM REFORM SCHOOL (Sukeban: Kankain Dasso)

1973-5-24(SUKEBAN 5) GIRL BOSS ESCAPE FROM REFORM SC
Japan 1973
Regie: Sadao Nakajima
Drehbuch: Tatsuhiko Kamoi, Sadao Nakajima
Produzent: Kanji Amao
Kamera: Shin Furuya
Musik: Ichiro Araki
Songs: Misuzu Ota „Sukide hajimeta onna janaiga“; Anonenone „Akaton bo no uta“
Sukeban-Darsteller (nach Rollengewicht sortiert): Miki Sugimoto (Ruriko), Yuko Kano (Mina), Hiroko Isayama (Kyoko), Fujika Omori (Yuki), Rika Sudo (Maki), Misuzu Ota (Harumi), Rie Saotome (Katsuko), Emi Jo (Chie), Jun Aida (Toshiko)
Übriger Cast: Tsunehiko Watase (Yoichi), Kenji Imai (Koike), Nobuo Kaneko (Anstaltsleiter), Hiroshi Nawa (Minoru Toyama), Rena Ichinose (Jun), Yasuko Kitahara (Aufseherin Hashima), Ryoko Ema (Matsushiro)
89 min

Miki Sugimoto 8: „Besserungsanstalt oder Knast? Mir egal. Ich breche überall aus. Kein Stacheldraht hält mich auf.“ (Ruriko)

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Der fünfte Sukeban tanzt ein bisschen aus der (siebenteiligen) Reihe, was mit ziemlicher Sicherheit an seinem Regisseur liegt. Sadao Nakajima spezialisierte sich nach einigen Zeitgeist-Popkultur-Dokus auf zumeist ironiefreie Yakuzafilme, und dort wiederum auf sog. Jitsuroku, d.h. Kriminalfälle nach wahren Begebenheiten. Norifumis Komik- und Comicanfälle sowie seine Unter- und Nebenhandlungen sind in Nakajimas Folgefilm somit komplett verschwunden. Geradlinig, fast naturalistisch ernst wird hier erzählt, weshalb hier der von mir oft gerügte Blaugrünstich der Toei-DVD-Abtastungen ganz gut passt.
GIRL BOSS: ESCAPE FROM REFORM SCHOOL fängt mit hektischer Handkamera an. Ruriko (Miki Sugimoto) ist auf der Flucht vor Männern. Die Vermutung liegt nahe, dass es Yakuza sind. Schließlich wird Ruriko gestellt, prügelt sich mit den Typen in einem Bach und beim Zuschlagen friert das Bild ein und der Titel erscheint.
Die Männer entpuppen sich aber nicht als Yakuza, sondern Wärter des Jugendknasts / Erziehungsheims Shinai, scheinbar ein sehr rigoroser Knast, denn Ruriko wird barbusig und gefesselt in das berühmte „Loch“, das aus jedem Knastfilm als Isolationszelle bekannt ist, gesteckt. Sie war mal wieder ausgebüxt, und weil es nicht das erste Mal war, wird der ganze Knast mit Kürzungen der Essensrationen bestraft. Das fördert auch den Unmut der Knastinsassen gegenüber Rurikos Zellengenossinnen. Die Sukeban Harumi zettelt deshalb bei der üblichen Schaufel-und-Hacke-Zwangsarbeit einen Streit mit Kyoko an. Das artet in eine Schlägerei aus, bei der Kyokos Klamotten zerfetzt und ihr Gesicht ramponiert werden. Den Wärtern ist das egal. „Es ist besser, die lassen ihren Frust untereinander aus, als an uns“, ist der Kommentar von Oberaufseher Koike, der auch im weiteren Filmverlauf nicht mit einem Mikro-Funken Sympathie vom Script ausgestattet wurde.

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Nach und nach werden Rurikos Zellengenossinnen etabliert, als der Neuzugang Mina zu ihnen quartiert wird. Die sitzt aber meistens vorm Spiegel, um ihr Gesicht zu bewundern und einzucremen. Sie geniest nämlich einen Sonderstatus bei der Knastführung, da ihr Gönner Toyama einiges an Geld an die Erziehungsanstalt gespendet hat. Von Yuki und Maki erfährt man nicht viel, außer dass Yuki an der Schwelle zu ihrem 15. Lebensjahr steht und die Beiden so dicke miteinander sind, dass sie nichts allein machen können. Kyoko hat eine einjährige Tochter, die sie aber nie wirklich gesehen hat, da sie direkt nach ihrer Entbindung in den Jugendknast musste. Doch in einem Monat soll sie entlassen werden. Als jedoch bei einer Stippvisite der Regierung, welche die Knastbedingungen untersuchen soll, Harumi auf die Missstände hinweist, gibt es zur Strafe für alle Insassen weitere drei Tage überhaupt nichts mehr zu essen und Entlassungsstopp für ein halbes Jahr (???Tut mir leid, aber diese Logik konnte ich nicht so recht nachvollziehen???). Kyoko flippt aus, will raus und fragt Ruriko, die gerade aus dem Loch gekommen ist, ob sie nicht beim nächsten Fluchtversuch dabei sein kann. Mina, Yuki und Maki, möchten auch mit; Mina übrigens, weil im Knast ihre Haut so schlecht geworden sei. Ruriko willigt ein. Noch in der gleichen Nacht wird eine Aufseherin überwältigt, ein Brand gelegt und mit einem Auto geflüchtet. Als das Benzin ausgeht, trennen sich die Wege aller fünf Frauen.
Kyoko kreuzt bei ihrer Mutter auf und will ihr Kind sehen. Doch das ist gerade mangels Muttermilch gestorben. Kyoko ist frustriert und prostituiert sich. Dabei wird sie von Aufseher Koike beschattet, in dessen Hoffnung, dass Kyoko früher oder später den Rest der Flüchtigen aufsucht.
Mina hat einen richtigen Lattenschuss. Sie steht sofort nach dem Ausbruch wieder bei ihrem Gönner Toyama auf der Matte, der aber mit Jun eine neue Geliebte hat. Und eigentlich war er ganz froh, dass er die Irre los war, da sie vor seinen Augen einen Yakuza abgestochen hat, um ihn vor schlechtem Einfluss zu bewahren. Die Aversion ihr gegenüber bekommt ihm ebenfalls nicht. Auch er wird von Mina abgeschlachtet.
Maki und Yuki treiben sich mit Gaunereien rum, damit sie auch ein paar Filmminuten abkriegen.

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Der größte Handlungsstrang dreht sich natürlich um Ruriko. Die schmeißt sich ziemlich schnell in den geklauten LKW von Yoichi, den sie bei einem Einbruch beobachtet hat. „Gleich und gleich gesellt sich gern“, denkt sie sich, denn der wird sie, weil selbst auf der Flucht, bestimmt nicht verpfeifen. Die beiden nähern sich an, bumsen und verlieben sich.
Ruriko AKA „Monotone Miki“ spielt hier, leider ohne große Mimik-Variationschancen vom Drehbuch her, erneut eine glaubwürdige Anführerin, die etwas desillusioniert von anderen Girlgang-Weibchen ist. Sie habe zwar als Sukeban die Pflicht, hinter ihrer Gang zu stehen, doch würden ihre Bandenmitglieder erst mal von der Polizei eingeschüchtert werden, würden sie alle den Schwanz einziehen, brave Mädchen werden und sie stünde wieder allein da. Das gesteht sie Yoichi nach ihrer mehrfachen sexuellen Übereinkunft. Die Umstände dieses Ficks erklären ganz gut Rurikos Soziopathologie und ihren chronischen Nonkonformismus: Wie immer in Sukeban-Filmen sind Männer schwanzgesteuerte Trottel, so auch Yoichi. Er würde gerne mit ihr ficken. Sie verlangt dafür als Entlohnung einen Teil der Einbruch-Beute, zieht sich sofort aus, guckt zu ihm rüber und sagt: „Was denn, kriegst du jetzt keinen hoch oder was?“ Jetzt ist sein Mannesstolz verletzt. Jetzt muss er ran und drückt ihr das Geld in die Hand. Doch während der (filmisch) minutenlangen Kopulation gleitet ihr langsam das Geld aus den Händen. (Das ist Toei-Symbolismus fürs einfache Volk: Je mehr Liebe, desto Geld unwichtig. Hach, wat schön und simpel…)
Trotz Sozialkrüppelbindung zu Yoichi ist er aber zweitrangig. Ruriko will ans Meer, um mit gebunkertem Dynamit ein Schiff zu kapern, um endlich von dieser Stacheldraht-Insel namens Japan weg zu kommen. Auch bei Yoichi hats gefunkt und er kommt mit.
Alle fünf Frauen und Yoichi trudeln schließlich in einer Strandhütte ein, in der Ruriko das Dynamit versteckt hat. Relative Idylle herrscht, bis Yuki in ihrem kindischen Leichtsinn von Yoichi entjungfert werden möchte. Der Trottel macht das fast, was von Ruriko beobachtet wird und die Truppe generell nicht glücklich macht, da das Credo galt: „Alles gehört Allen.“
Doch der Yoichi-Faktor hat keine Zeit, handlungstragend zu werden, da Kyoko die Bullen gefolgt sind und die stürmen jetzt inklusive Gasgranaten die Hütte. Yoichi knallt so viele Bullen ab, wie eben geht, und die Mädels werfen fleißig Mollis. Im Kampfgetümmel offenbart sich, dass Kyoko über den Verlust ihres Kindes hin scheinbar wahnsinnig geworden ist, denn sie fängt an, die Asche ihres Kindes zu fressen. Damit auch diesmal der einzige männliche „Held“ das Zeitliche segnet, stirbt Yoichi im Kugelhagel und alle Mädels wandern in das Heim zurück. Der Schlusssatz des Films ist wiederum eine kreischende Ruriko mit „Besserungsanstalt oder Knast, mir egal. Ich breche überall aus. Kein Stacheldraht hält mich“, bevor final das Bild einfriert.

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GIRL BOSS: ESCAPE FROM REFORM SCHOOL ist Schema F. Weder Nakajimas routinierte Regie-Hand noch das Drehbuch von Tatsuhiko Kamoi bringen auch nur im Ansatz etwas, das noch nicht zigtausendmal durch die japanische (und teilweise auch internationale) Filmgeschichte torkelte. Ein Jahr zuvor waren die beiden extrem erfolgreichen ersten Teile von SASORI erschienen, was die Toei-Produzenten vermutlich anspornte, diesmal eher etwas in diese Richtung zu veranlassen (Prägnanterweise schrieb Kamoi später auch die Drehbücher zum fünften und sechsten Teil der Sasori-Reihe).
Nakajimas Pluspunkt dank seiner fast stoischen Erzählweise scheint zunächst die relativ ausführliche Charakterzeichnung seiner Girlgang zu sein. Nachteil davon ist leider, dass der Schablonencharakter der Figuren diesmal mangels Ablenkung vehement auffällt. Der Durchschnitts-Toei-Kinogänger musste damals schon mit dem Gehirn einer Murmel gesegnet gewesen sein, um derartige Klischee-Berge immer wieder zu glotzen.
Interessant ist lediglich die exakt dreiteilige Struktur der 90 Minuten: Die erste halbe Stunde ist Women-In-Prison-(WIP)-Standard: Der Knastalltag wird gezeigt. Hossa, da versteht man auch, warum Japaner so emsig sind: Gar finster ist es da schon im Jugendknast. Wie mag wohl der Alltag bei den Großen sein? Im zweiten Drittel sieht man die jugendlichen Kriminellen wieder ihren alten Mustern nachgehen und in den letzten dreißig Minuten sind noch das Idyll, die Spannungen und die Auflösung (von außen) der Truppe zu begutachten.

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Von der Serie losgelöst, würde GIRL BOSS: ESCAPE FROM REFORM SCHOOL ziemlich gut als düster-melancholischer Rebellenfilm funktionieren, müsste aber bei einem Nonstop-Screening aller sieben Teile eher an den Anfang gesetzt werden.
Musikalisch wäre anzumerken, dass das Lied „Akaton bo no uta“ AKA „Song of the Red Dragonfly“ 1973 ein großer Erfolg mit 350.000 verkauften Einheiten war, aber vermutlich aus rechtlichen Gründen in den Credits nicht genannt wird. Das Titellied „Sukide hajimeta onna janaiga“ wird diesmal von Misuzu Ota gesungen, die die Sukeban Harumi spielt. Deren Bande habe ich diesmal nur mit einem gesammelten Screenshot würdigen können, da sie nur für die erste halbe Stunde relevant sind und keine Beauty-Shots kredenzt bekamen.
Tsunehiko Watase scheint fast immer der Film-Liebhaber Sugimotos zu sein, denn nach WILD SEX GANG und VIOLENT PANIC ist das jetzt schon der dritte Film in Sugimotos relativ kurzer Filmografie, in dem beide ein Paar werden.
Regieassistent war Yuji Makiguchi. 1975 durfte der bei VIRGIN BREAKER YUKI endlich Regie führen und inszenierte dann fast durch die Bank Pinky Violence-Epiloge.
In Sadao Nakajimas Gesamtwerk läuft GIRL BOSS: ESCAPE FROM REFORM SCHOOL eher unter „marginal“, da er in den 70ern noch produktiver als sein Toei-Kollege Norifumi Suzuki war, mit drei bis fünf Filmen jährlich. Seine wichtigsten Arbeiten sind wohl ESCAPE FROM HIROSHIMA (Datsugoku Hiroshima satsujinshu, 1974) und RIOT AT SHIMANE PRISON (Bodo Shimane Keimusho, 1975), die aufgrund ihrer, im Gegensatz zum fünften Sukeban, brutal-realistischen Knastdarstellungen sogar Debatten im japanischen Parlament ausgelöst haben.
Fazit: Wer noch nie einen Pinky Violence-Film bzw. generell einen Toei-Film der Früh-70er gesehen hat, für den ist GIRL BOSS: ESCAPE FROM REFORM SCHOOL ein netter Einstieg, da handwerklich gut gemacht und inhaltlich sehr repräsentativ. Ansonsten ist dieser WIP-Ausflug der Sukeban-Reihe höchstens Sugimoto-Fans zu empfehlen, die sie auch mal in einem ernst gemeinten Film als Powerfrau sehen wollen. Und da wir hier von Exploitation reden: Sugimotos Arsch im Gegenlicht ist schon eine Reise wert. Ansonsten blubbert nicht nur aus ihrem Mund eine Setzkastenphrase nach der anderen.
reda

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Arthouse-Exploitation-Gewichtung 40:60

Schulnote: 3

Dieser Film beschert Menschen einen unterhaltsamen Abend, die
VIOLENT PANIC: THE BIG CRASH (Kinji Fukasaku)
WILD SEX GANG (Takayuki Miyagawa)
JEANS BLUES (Sadao Nakajima)
mochten

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