WER WILL JESSIE UMBRINGEN? (Kdo chce zabit Jessii?)

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Tschechoslowakei 1966
Regie: Vaclav Vorlicek
Drehbuch: Vaclav Vorlicek, Milos Macourek
Produzent: Bedrich Kubala, Ladislav Novotny
Kamera: Jan Nemecek
Musik: Svatopluk Havelka
Darsteller: Olga Schoberova, Jiri Sovak
79 min

Tschechischer Comic-Film aus den 60ern

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Vaclav Vorlicek, Jindrich Polak und Oldrich Lipsky sind die Helden wohl jedes cinephilen Ü30ers in Deutschland. Berühmt sind die Drei für ihre tschechischen Märchen-Crossover-Fernsehserien, die vom WDR koproduziert wurden und (wie mir von einem Eingeweihten erzählt wurde) unter teils abstrusen Bedingungen am Eisernen Vorhang hin- und hergeschmuggelt wurden. DIE MÄRCHENBRAUT, PAN TAU oder DIE BESUCHER (hier zeigte sich übrigens Jan Svankmajer für die Effekte verantwortlich) sind wohl die bekannteren Beispiele. Aber die Genies haben vor allem in der Aufbruchstimmung des Czech New Wave noch so einiges vom Stapel gelassen. Besonders erwähnenswert sind hier die Kinofilme ICH HABE EINSTEIN UMGEBRACHT mit teils üppigen futuristischen Sets, in dem ein paar Wissenschaftler vom 21.Jahrhundert nach 1900 katapultiert werden, HAPPY END, der konsequent rückwärts erzählt wird (und von daher schon fast ein Experimentalfilm ist) oder DAS ENDE DES GEHEIMAGENTEN W4C MIT HILFE DES HUNDES VON HERRN FOUTSKA, ein tschechischer Eurospy, der es durchaus mit dem internationalen Markt aufnehmen kann. Ein Nachzügler im Jahr 1977 ist dann noch TOMORROW I’LL WAKE UP AND SCALD MYSELF WITH TEA, in dem wieder eine Zeitmaschine erfunden wird, die Hitler verhindern soll: Der ist so durchgescheppert, dass man sich fragt, wie so was überhaupt möglich gemacht wurde.
Ein weiteres extrem westlich beeinflusstes Kuriosum ist der Comic-Film WER WILL JESSIE UMBRINGEN? von Vaclav Vorlicek. Hier wird eine Maschine erfunden, die versehentlich Comic-Figuren aus Träumen in die reale Welt transportiert. Der zerstreute Professor Jindrich verknallt sich in die Comicfigur Jessie, die mit „antigravitationalen“ Handschuhen in einem Comicstrip gegen einen Superman-Verschnitt und einen Cowboy kämpfen muss. Als die drei Gestalten sich manifestieren, gibt es zahlreiche abstruse Verwicklungen in einem Prag der Mitt-60er. Die Kommunikation zwischen den Comicfiguren und den echten Menschen gestaltet sich dabei schwierig, da die Comic-Wesen nicht reden können, sondern nur Sprechblasen von sich geben (die übrigens teilweise im Filmbild stehen bleiben und von den Protagonisten weggewischt werden müssen).

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Die tschechische Filmindustrie schien nur ein paar Stars zu haben, denn auch hier spielen u.a. Vladimir Mensik (bekannt als Herr Meier aus der MÄRCHENBRAUT) und Jiri Sovak (Der Hofzauberer aus der MÄRCHENBRAUT) als Professor mit. Die Neuentdeckung Olga Schoberova schaffte direkt nach diesem Debüt den Sprung über den Eisernen Vorhang und spielte Ende der 60er in zahlreichen Exploitationheulern als Olinka Berova diverse Hauptrollen.
WER WILL JESSIE UMBRINGEN? ist – wie immer bei Vorlicek- interdisziplinäre Unterhaltung für die ganze Familie, wobei es schon erstaunlich ist, wie exploitation-affin das tschechische Kino der Mitt-60er noch war. Die Schoberova liegt nicht nur einmal gefesselt in der Ecke. Der Professor macht angedeutet mit ihr rum und der „böse“ Supermann wird sogar der Liebhaber der Frau des Professors. Hier wurde ganz deutlich nach einem internationalen Markt geschielt, dessen Rahmenbedingungen auch durchaus erfüllt werden, ohne jedoch die eigenwillige originäre tschechische Identität zu verlieren. WER WILL JESSIE UMBRINGEN? ist nur eines von, die Finger einer Hand sprengenden, Beispielen für ein völlig anderes Kommerzkino im Fahrwasser der Bond-Manie, eben weil das Ursprungsland immer zu erkennen ist. Da gibt es viel zu entdecken, auch wenn natürlich die Serien ebenfalls schon großartig waren.
reda

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Arthouse-Exploitation-Gewichtung 30:70

Schulnote: 2+

Dieser Film beschert Menschen einen unterhaltsamen Abend, die
DAS ENDE DES GEHEIMAGENTEN W4C MIT HILFE DES HUNDES VON HERRN FOUTSKA (Vaclav Vorlicek)
TOMORROW I’LL WAKE UP AND SCALD MYSELF WITH TEA (Jindrich Polak)
ICH HABE EINSTEIN UMGEBRACHT (Oldrich Lipsky)
mochten

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